Zehn Jahre nach den negativen Ergebnissen und Schlagzeilen,
die die Hormone in Verruf brachten, liefern US-Wissenschaftler der
Harvard University in Cambridge, Massachusetts, jetzt die Langzeitdaten
der in beiden WHI-Studien untersuchten Frauen nach. Im Fachmagazin "Jama"
berichten JoAnn Manson und ihre Kollegen über die Analyse der früheren
Daten und zusätzlicher Nachbeobachtungen von mehr als 27.000 Frauen bis
zum September 2010.
Auch nach der umfassenden Analyse gilt: Östrogen und Progesteron
sollten weder alleine noch gemeinsam zum Schutz vor den Folgen der Wechseljahre eingenommen werden.
Risiken auch bei jüngeren Frauen
Zwar komme die Hormontherapie bei mittleren bis starken Bescherden in
den Wechseljahren als Behandlungsmöglichkeit in Betracht, wenn die
Frauen ansonsten gesund seien und sich in der frühen Menopause befänden,
so die US-Forscher. Doch die Risiken auch der Gabe nur eines einzelnen
Hormons seien selbst bei jüngeren Frauen - zwischen 50 und 59 Jahren - so hoch, dass sich eine präventive Gabe verbiete.
Bei jüngeren Frauen war in den Studiendaten aufgefallen, dass eine
Hormontherapie mit Östrogen alleine bessere Ergebnisse erbrachte als bei
älteren Frauen. Bei älteren Patientinnen sollten Ärzte jedoch selbst
dann vorsichtig sein, wenn sie bestehende Wechseljahresbeschwerden
behandeln wollten, weil in dieser Altersgruppe das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten erhöht sei.
"Unstrittig die beste Behandlung"
"Es ist unstrittig, dass die Hormontherapie zur Behandlung von
Beschwerden, die auf den Abfall der Hormone zurückzuführen sind, die
beste Behandlung ist", sagt Frauenarzt Olaf Ortmann von der Universität
Regensburg, der Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie
und Geburtshilfe (DGGG) ist. "Gleichzeitig ist klar, dass es keinen
gesundheitlichen Vorteil einer grundsätzlichen Hormontherapie gibt,
deshalb wird sie nicht empfohlen."
Die Idee einer präventiven Gabe sei verlockend gewesen, so Ortmann,
weil die Hoffnung bestand, mit relativ geringem Aufwand das Risiko für
Herz-Kreislauf-Krankheiten und Osteoporose senken zu können. Stattdessen
ist von der Hormontherapie nur die Behandlung der
Wechseljahresbeschwerden geblieben. Diesen Aspekt sollte man aber nicht
unterschätzen, betont Ortmann: "Etwa drei Viertel aller Frauen leiden in
den Wechseljahren unter typischen Beschwerden. Von denen ziehen
wiederum ein Viertel bis 40 Prozent eine Hormontherapie in Betracht,
weil sie stark unter den Symptomen leiden." Für diese Frauen sei - ein
ansonsten niedriges Risiko vorausgesetzt - die Hormontherapie eine
Option.
Brustkrebs- und Schlaganfallrisiko
In den ursprünglichen WHI-Studien war zum einen die Gabe von Östrogen
und Progesteron gemeinsam bei Frauen mit einer intakten Gebärmutter und
zum anderen die Gabe von Östrogen alleine bei Frauen nach einer
Gebärmutterentfernung (Hysterektomie) mit der Gabe eines Placebos
verglichen worden. Die Kombinationsbehandlung hatte das Risiko für Brustkrebs erhöht, die Behandlung nur mit Östrogen das Schlaganfallrisiko. In beiden Fällen überwogen die Risiken den Nutzen.
Dogmen überwunden
Die "Women's Health Initiative", so kommentiert Elizabeth Nabel von der Harvard University in einem begleitenden Editorial in "Jama"
die aktuellen Ergebnisse, habe medizinische Dogmen überwunden. Dank
ihrer Ergebnisse seien nicht nur Behandlungsempfehlungen geändert
worden, die zum Beispiel in Deutschland zu einem Rückgang der
Verschreibungszahlen um fast drei Viertel (siehe Fotostrecke)
geführt haben. Auch das Verständnis für die notwendige Unterscheidung
zwischen Männern und Frauen bei der Untersuchung von Medikamenten sei zu
einem guten Teil der Frage nach der Sicherheit der Hormonersatztherapie
zu verdanken.
Die deutsche Leitlinie zur Hormontherapie wird Ende 2014 turnusgemäß
überprüft. Gynäkologie Ortmann erwartet allerdings auch durch die
WHI-Langzeitergebnisse keine wesentliche Änderung an den deutschen
Empfehlungen.
(Quelle: Spiegel-online, Dennis Ballwieser)